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+ Ausstellung durch den Vorstand des Schwäbisch Haller Kunstvereins vorzeitig geschlossen +


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Samstag, 22. November 2008

Freitag, 21. November 2008

presse

"haller tagblatt", 21.11.2008

Schon gehört?: "Pornografisch"und "pubertär"
TOBIAS WÜRTH

Hall hat seinen Kunst-Skandal. Naja, nennen wirs lieber Skandälchen. Die Ausstellung "moving - circles - growing - lines" in der Kunstgalerie am Markt ist elf Tage vor der Finissage vom Veranstalter, dem Haller Kunstverein, dicht gemacht worden. Die Künstlergruppen "Kasseler Schule/1. kasseler avantgardestammtisch" haben das bewirkt, was andere Künstler versuchen und oft nicht schaffen: Es so weit zu treiben, dass die Ausstellung dicht gemacht wird.

Ein Hakenkreuz soll bereits von außen durch ein Fenster zu sehen gewesen sein, Pornografisches sei gezeigt worden und es habe im Raum gestunken, begründet der Haller Künstler, Michael Klenk, der die Ausstellung für den Kunstverein an Land gezogen hatte und am Anfang vom Konzept überzeugt war. Die - wie geplant - auf Veränderung angelegte Schau, habe sich in eine Richtung bewegt, die vom Vorstand des Kunstvereins abgelehnt wurde. "Es war so schlecht, primitiv und pubertär", klagt Klenk.

Das wollen die Künstler nicht auf sich sitzen lassen. "Wir wollten gar nicht provozieren. Wir machen die Sachen so, wie wir sie für richtig halten", sagt Thomas Scherl von der Künstlergruppe. Was ihn "ankäst" ist, dass der Kunstverein Beschwerden bekomme und dann nicht seiner Aufgabe gerecht werde, die Kunst zu vermitteln, sondern gleich die Ausstellung dicht machte. Die Künstlergruppe will im nächsten Jahr "eher in größere Städte gehen". Derzeit ist die Ausstellung geschlossen, am heutigen Freitag wird sie abgebaut. Am 6. Dezember eröffnet die nächste Schau. Sie heißt "Bewegung" - fragt sich nur wohin?

http://www.hallertagblatt.de

Mittwoch, 12. November 2008

daß man das noch erleben darf ...


„Ausstellung wegen Umbau geschlossen“ –
Kasseler Schule/1.kasseler avantgardestammtisch vs. Kunstverein Schw. Hall (1:0)


Vorstand des Haller Kunstvereins verfügt die vorzeitige Schließung der Ausstellung „moving – circles – growing – lines“ der Künstlergruppen „Kasseler Schule“ und „1. kasseler avantgardestammtisch“ wegen fehlendem handwerklichen Geschick, Hakenkreuzschmierereien und schlechtem Geruch

Das Schild am Eingang des Haller Kunstvereins verkündet: „Ausstellung wegen Umbau geschlossen“ – und das obwohl die Finissage doch eigentlich erst vom 21. – 23. November stattfinden sollte?

Es sei die erste einstimmige Entscheidung von Vorstand und Beirat des Haller Kunstvereins in seiner Geschichte gewesen, so der erste Vorsitzende Wolfgang Schwarzkopf, die Ausstellung „moving – circles – growing – lines“ der Künstlergruppen „Kasseler Schule“ und „1. kasseler avantgardestammtisch“ ab dem 10.11. vorzeitig zu schließen. Thomas Scherl, Sprecher der beiden Künstlergruppen, beglückwünschte den Verein und sprach seine Freude darüber aus, daß die Ausstellung so doch noch etwas Gutes bewirkt hätte. Die Entscheidung war der Gruppe ohne vorheriges Gespräch und per Telefon (auf den Anrufbeantworter) mitgeteilt worden.

Als Begründung wurde u.a. angegeben, die Ausstellung – die ihrer Konzeption nach keine Ausstellung sondern eine Installation ist – sei qualitativ die unterste Ebene.

Es seien „Hakenkreuzschmierereien“ zu sehen gewesen (wobei es sich vermutlich um das Bild „Swastika“ von Thomas Scherl von 1998 handelt, das schon auf mehreren größeren Ausstellungen zu sehen war oder um eine Gemeinschaftsarbeit, die im Rahmen der Aktion „Malfabrik“ entstanden und verschiedenen Bildern der Baselitz-Ausstellung „top“ in der Kunsthalle Würth nachempfunden ist).



„Hakenkreuzschmierereien" – Gemeinschaftsarbeit der Maler Schilling, Shin und Scherl


Die während der Aktion „Malfabrik“ entstandenen Bilder, könnten ja wohl „nicht als Kunst zu verstehen“ sein (die beteiligten Maler Bertram Schilling, You-Kyoung Shin und Thomas Scherl bringen zusammen 50 Jahre Berufserfahrung als Künstler mit).


Aktion "Malfabrik"


Sogar Pornographie gäbe es zu sehen (womit sozialkritische Collagen der Gruppe aus dem Jahr 2004 gemeint sind, in denen die Themen Politik und Machtmißbrauch behandelt werden).


Pornographie! – Eine Gemeinschaftsarbeit der Künstlergruppe „1. kasseler avantgardestammtisch“ aus dem Jahr 2004


Es habe „jede handwerkliche Fertigkeit bzw. Geschicklichkeit“ gefehlt und es würde sogar als Provokation nicht funktionieren.
Hier fragt man sich zum einen, woher dann die massiven Gegenreaktionen (u.a. die des Vereinsvorstands) stammen, wenn es doch als Provokation nicht funktioniert, zum anderen, ob Provokation und die Demonstration von „handwerklicher Geschicklichkeit“ vielleicht gar nicht intendiert waren. Den Künstlern zu unterstellen, daß es ihnen aufgrund von Unfähigkeit, Faulheit o.ä. nicht gelungen ist, könnte den Weg zum Verständnis der Arbeit in nicht geringem Maße verbauen und ist in keiner Weise zu rechtfertigen.

Außerdem, so Schwarzkopf weiter, rieche es in den Räumen nicht gut.


"fehlende handwerkliche Geschicklichkeit“

Die zwangsweise Schließung der kontrovers diskutierten Schau wirft nun einige Fragen auf:

– Hält der Vorstand des Kunstvereins das Haller Publikum ästhetisch, sittlich und/oder seelisch-geistig für so gefährdet, daß man es vor solcherlei Un-Kunst schützen muß?

– Wo war der Kurator, der ja unter anderem dafür zuständig ist, daß die Dinge nicht so aus dem Ruder laufen wie – angeblich – bei dieser Ausstellung und außerdem für die Vermittlung von Formen und Inhalten künstlerischen Ausdrucks (eine der Basisaufgaben von Kunstvereinen).

– Warum war weder ein Mitglied des Vorstands, des Beirats, noch der Kurator bei einer der Veranstaltungen der Aktionswoche anwesend (man nimmt doch eigentlich an, daß man sich dafür interessiert, was im Verein vor sich geht, besonders, wenn man z.B. als Kurator dazu beauftragt ist) und woher möchten die Verantwortlichen dennoch wissen, daß diese Woche so katastophal abgelaufen sei (was dann den Ausschlag für die Schließung gegeben habe). Vom Hörensagen?
(Anmerkung: es ist schon klar, daß nicht jedeR Zeit hat – aber alle?)

– Wer, der sich mit Kunst auseinandersetzt, beurteilt heute die Qualität von Kunst noch nach „handwerklichem Geschick“ – ein Kriterium, das spätestens seit den achtziger Jahren überholt ist – und schließt deswegen gar eine Ausstellung?
(Zusatz: von der von vornherein bekannt war, daß sie keine „leichte Kost“ werden würde – die Künstler wurden eben deswegen eingeladen – der Kurator selbst hat die Schau noch bis einen Tag vor Beginn der Aktionswoche enthusiastisch gelobt.)

– Was ist der Grund für diese Übersprungshandlung – ohne ein vorheriges Gespräch mit den Ausstellern zu suchen?

– Ist es statthaft, eine Ausstellung von professionellen Künstlern so einfach zuzusperren? (rhetorische Frage)

– Warum wurden zur Entscheidungsfindung nur die angeblich zahlreichen Beschwerden und der Austritt eines Mitglieds (wegen der Ausstellung) herangezogen, die ebenfalls zahlreichen positiven Kommentare, die relativ hohen Besucherzahlen über den gesamten Ausstellungszeitraum und die mindestens drei neu eingetretenen Mitglieder (ebenfalls wegen der Ausstellung) aber außer Acht gelassen?

– Bedeutet die Bemerkung „wir wissen ja nicht, was das für Leute waren“, daß man den (überwiegend jungen) Besuchern (die meisten davon im Kunstbereich tätig), an denen es dem Kunstverein sonst ja chronisch mangelt, kein qualifiziertes Urteil zutraut?

– Wie werden das weitere Ausstellungsprogramm und die Besucherzahlen des Haller Kunstvereins beschaffen sein?


riecht nicht gut

Die meisten Beobachter sind sich einig, daß der Kunstverein etwas „Gegenwind“ bekommen hat und nun versucht, durch diese eher unfeine (und unübliche) Art der Distanzierung die Verantwortung auf die ausstellenden Künstler abzuwälzen, denen er vorher in allen Dingen freie Hand gegeben hatte. Der Verein schädige hier lieber den Ruf der Künstler als zu seinen Entscheidungen zu stehen und diese auch mutig zu vertreten.

Die „Kasseler Schule“ und der „1. kasseler avantgardestammtisch“ geben bekannt, daß sie die Verfügung des Vorstands akzeptieren und beglückwünschen den mutigen Entschluß, der den Ruf des Haller Kunstvereins in jedem Falle schützen, wenn nicht gar verbessern wird.


Die Künstler akzeptieren die Entscheidung

Wärmsten Dank sprechen sie an alle Sponsoren, Unterstützer und Helfer aus, die dazu beigetragen haben, in Hall etwas anderes als das Bekannte zu schaffen.

* * *

Die Abbauperformance findet wie geplant vom 21. bis 23. November statt. Die angekündigte Finissage und das Künstlerfest mit den Auftritten der Kasseler Tanzperformerin Bettina Helmrich und 38317 (Theoriepop aus Berlin), sowie die geplanten Aktionen und Programmpunkte müssen aufgrund der Vorstandsentscheidung leider entfallen – die „Kasseler Schule“ und der „1. kasseler avantgardestammtisch“ bitten um Entschuldigung.

Interessierte, die an der Abbauperformance teilnehmen möchten, sind herzlich willkommen. Bitte setzen Sie sich mit den Verantwortlichen unter kasseler-schule@gmx.de oder der Nummer 0151 – 20 50 3407 in Verbindung.

Informationen unter http://www.kasseler-schule.de und http://avantgardestammtisch.blogspot.com

Kasseler Schule, 16. November 2008

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Fotos: (c) thomas müller www.digitrash.de & Thomas Scherl